Einmal to Toronto bitte…

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12.09.2015 – Nach einigen Stunden im Flieger und einigen Stunden warten am Flughafen werden wir endlich von unseren neuen Hosts Ayse und Jens am Flughafen abgeholt. Zur Geschichte: Im April haben wir uns bei Ayse und Jens beworben um gegen Kost und Logis auf Ihrer Farm arbeiten zu können (Prinzip Island) und natürlich etwas übers Bauer sein und Bioobst zu lernen. Aaaallles kein Thema. Da Ayse und Jens jeden Samstag auf einem Markt in Toronto ihr Gedöns verkaufen, können sie uns sogar am Flughafen abholen. Voll nett von denen!!!
Um kurz nach drei ist es endlich soweit. Ich bekomme eine SMS und bevor ich diese zuende lesen kann auch schon die nächste…“Wir sollen uns beeilen – Sie sind in einem goldenen Truck mit weißem Trailer.“ OK. Also raus und ruck zuck ins Auto. „Hallo, wir sind Markus und Joana.“ Zurück kommt ein „Hallo“ und die anderen volunteers, die erst mit auf dem Markt waren und jetzt mit im Auto sitzen stellen sich vor. Joa und sonst so?! Nix? OK. Man muss ja auch nicht immer reden. 2,5 Stunden Ruhe im Auto. Markus und ich hoffen beide, dass der Geruch des Autos auch im Auto bleibt „Ist ja auch bestimmt das Marktauto“. Einer der volunteers erzählt mir, dass Samstag immer der schlimmste Tag ist, weil man da immer um drei Uhr nacht aufstehen muss um zum Markt zu fahren. In mir steigt eine Gänsehaut auf. Mein erster Gedanke ist „Wie soll ich denn bei dem Gestank im Auto schlafen können?“

Nach zweieinhalb Stunden Fahrt kommen wir auf der Farm in Owen Sound an, steigen aus dem Auto und eine weitere deutsche Freiwillige, Selina, bekommt den Auftrag uns das Zimmer und die Farm zu zeigen. Gaanz langsam bekomme ich ein komisches Gefühl. Die Freiwilligen wohnen in einem seperaten Haus auf der Farm. Das ist schonmal gut. Mit uns sind sechs Freiwillige auf der Farm und zwei mexikanische Familienväter die Vollzeit angestellt sind und wirklich Ahnung vom farming haben. Ayse wusste erschreckenderweise nichtmal ihre Namen und nannte sie nur „the Mexicans“ obwohl sie schon seit Monaten auf der Farm leben und arbeiten. Ayse und Jens sind auch gar keine Farmer, sondern kommen aus der Restaurantbranche und haben sich entschieden, dass eine Organicfarm die bessere Wahl ist. Farming muss man allerdings auch lernen und man muss vorher rechnen ob man davon auch leben kann…Oooder man beschäftigt unterbezahlte, hochqualifizierte Mexikaner und Freiwillige – dann gehts natürlich auch. Aber Sinn der Sache ist es eigentlich nicht.

Unser Zimmer ist klein, dreckig und hat nur eine kleine Matratze. Das ist schonmal schlecht. Naja…Kann man ja später selbst saubermachen. Den Zustand des Wohnzimmers stempeln wir unter „wenn soviele Menschen unter einem Dach wohnen ist es schwierig immer Ordnung zu halten“ ab. Doch dann, draußen und außer Sichtweite, direkt vor einem der Feldplumpsklos, fragt uns Selina wie lange wir denn eigentlich bleiben wollen. Der Plan waren zwei bis drei Wochen. Wir haben uns bewusst im Vorfeld noch nicht festgelegt, um die Möglichkeit zu haben uns das Ganze erstmal anzugucken. Als wir uns beide spontan zu zwei Wochen entscheiden, antwortet sie: „Bleibt auf keinen Fall länger. Das muss echt nicht sein.“
Genau die Antwort die man nicht hören will, wenn man eh schon genau diesen Gedanken hat. Während wir an den Feldern stehen erzählt sie uns, dass die Familie eigentlich gar keinen Kontakt zu den volunteers pflegt, man nur richtiges Essen mit den anderen zusammen essen darf, wenn man mindestens 7 anstatt den vereinbarten 5 Stunden arbeitet, nur das angezählte Obst und Gemüse essen darf und wenn es mal ein Stück Käse sein soll, man gefälligst erst zu fragen hat. Es gibt außerdem auch 3 Seiten Regeln…Dazu gehört dass man höchstens 5 Minuten duschen darf und bevor man irgendwas essen möchte erstmal um Erlaubnis fragen muss. Dann erzählt sie uns noch das Ayse ganz gern mal schreit, ausflippt und Leute rausschmeißt. Sie kreist also quasi mit Ihrem Besen immer über den Feldern. Gruselig. Mal gucken wer lauter meckern kann.
Den Leckerbissen hat Selina sich allerdings bis zum bitteren Ende aufgehoben. Das Bad 🙂
Ein Leben in einem Südamerikanischen Raststättenklo muss genauso sein. Das Ambiente haben sie wirklich 1:1 so hinbekommen. Nur, dass man auf der Farm auch noch Bohnen ernten muss und es keinen Laden gibt in dem man Essen kaufen kann. Macht euch einfach selber euer Bild wie es wohl der Rest auf der Farm aussah –> Badezimmer

Als wir unser Zimmer saubermachen wollen, müssen wir leider feststellen, dass es keinen Staubsauger, sondern nur einen uralten Besen gibt. Waschmittel gibts auch nicht. Wie haben die nur unser Bettzeug gewaschen – unsere Vorgänger sind doch gestern erst abgereist?! Mmmhhh…Wir schrauben unseren geplanten Aufenthalt runter auf eine Woche (Samstag = nächster Markttag) Man muss ja auch erstmal von der Farm wegkommen. Im Bett, einigen wir uns dann auf Donnerstag (der Markttag vor Samstag) und schlafen mehr oder weniger. Lieber Gott: Wieso muss ich immer nachts Pipi, wenn es nicht geht bzw. umständlich oder ekelhaft ist?!
Am nächsten Morgen geht alles ganz schnell…Wir müssen weg – jetzt. Aber wie?! Die einfachste Möglichkeit wäre mit Jens, Ayse und ihrem Sohn Cengiz nach Toronto zu fahren (die wollen nämlich Geburtstag feiern). Aber zu fragen ist halt voll unangenehm. Als wir realisieren, dass nichts anderes geht, fasst Marki sich ein Herz und fragt Jens. Kein Problem sagt er. Zack Zack Zähne putzen. Dabei aufpassen, dass einem keine Fliege in den Mund fliegt oder auf der Zahnbürste landet und es kann losgehen.
Aber die Rechnung haben wir ohne Ayse gemacht – die ist nämlich beleidigt, weil wir ihre Farm schmuddelig finden – dafür bringt Jens uns ins 20 km entfernte Owen Sounds. Und nu? Nen Bus fährt Sonntags nicht. Nur der arschteure Flughafen Shuttle in ein paar Stunden. Egal. Also latschen wir zum Days Inn, frühstücken wie die Könige und dürfen da zum Glück alles benutzen und fahren dann mittags Richtung Toronto. Jetzt brauchen wir nur noch eine Unterkunft. Hotel? Schwierig, weil grad das Filmfestival tiff in vollem Gange ist. Zum Glück sagt dann doch noch Adam, der Karma-Asiat zu und vermietet zumindest für die erste Nacht sein Gästezimmer. Coolerweise hat Adam schon in Montreal gelebt und kennt sich unglaublich gut in Toronto aus. Außerdem ist Adam traurig, dass unsere erste Erfahrung in Kanada so blöd war und will, dass wir schnellstmöglich einen besseren Eindruck bekommen. (Den hatten wir eigentlich schon als wir aus Jens Auto ausgestiegen sind – aber ok) Also gibt es erstmal einen Willkommenscocktail und danach Abendessen. Es geht also auch anders.

Und die Moral von der Geschicht…Als workawayer kann man auch an schwarze Schafe geraten. Wir möchten keine billige Arbeitskraft sein und sind eigentlich nicht dazu gezwungen während unserer Reise zu arbeiten. Wir machen es lediglich um Menschen und Kulturen besser kennenzulernen. Ich bin froh, dass wir das nötige Kleingeld haben um solche Situationen nicht wochenlang über uns ergehen lassen zu müssen. Traurigerweise gibt es viele junge Erwachsene deren erste Erfahrung im Ausland genau diese ist. Oft bezahlen sie auch noch teure Organisationen die diese (Sklaven)arbeit organisieren. In vielen Fällen würde ein solcher Farmaufenthalt auch nicht schaden, aber es wäre traurig wenn, wegen solch einer Erfahrung, der Erste auch der letzte Auslandsaufenthalt bleiben würde.

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